Einbildungen. Eingebildet [2009]

Series of 14 C-prints

"Einbildungen. Eingebildet" ist eine Serie von Bildern kleiner, (selbst-)ironischer, romantischer Gesten und Gebärden; erstens als bescheidener Kommentar zu allgemeinen Themen wie Aneignung | Appropriation, Anmaßung | Hybris, Original | Originalität, Produktion | Reproduktion und zweitens als Bearbeitung ganz persönlicher Befindlichkeiten * und Betroffenheit ** – immer ausgehend von der den beiden titelgebenden Wörtern innewohnenden Doppel- und Mehrdeutigkeit.***

(Wien im Spätsommer 2009, Christian Wachter)

* Zum Beispiel die Notwendigkeit, mir, bei meinen bisweilen recht zahlreichen, „rein dokumentierenden“ Begegnungen mit Werken anderer KünstlerInnen, meiner eigenen Identität bewusst zu bleiben.
** Der Verlust von wertvollen Aufzeichnungen, Fotos, Speicherkarten und einer teuren Kamera durch Diebstahl.
*** Imagination, Vorstellungskraft, aber auch Halluzination, Hirngespinst einerseits; Arroganz, Hochmut, aber auch Selbstbewusstsein, Stolz andererseits. – Wenn ich wie ein halbverwischtes Gespenst zu diversen Kunstwerken ins Bild trete oder, Wochen nach einer fotografischen Aufnahme versuche, diese mit Stift und Papier aus meiner Erinnerung wieder herzustellen, so setze ich diese Gesten im Spannungsfeld der o.a. (einander teilweise widersprüchlichen) Bedeutungen.

Zur leichteren Rezeption sind die – wegen der absichtsvoll angewendeten fotografischen Reproduktionstechnik auf den C-Prints gerade noch lesbaren – Bildlegenden der Originalzeichnungen im Folgenden transskribiert:

2008.12.16., ca. 13 40 Uhr. – Schon seit geraumer Zeit im Sinkflug hat unsere Maschine die Wolkendecke durchbrochen und wir sehen das Meer. Über die Bordlautsprecher meldet der Pilot das Wetter in Barcelona: Bedeckter Himmel und (etwa) 10°. Ich bemerke 2 große Tank- oder Containerschiffe unter uns und mache ein Foto. (Eingebildet in Wien, 7.1.2009)

2008.12.16., ca. 17 00 Uhr. Vom Hotel gehen wir bei leichtem Regen über die Rambla zum Hafen. Es dunkelt bereits, als wir ins Aquarium gehen. Durch künstliche tropische Vegetation führt eine Rampe vom Eingang abwärts zu den Fischen. Auch ein Weihnachtsbaum steht da. Ich bitte Marianne sich daneben zu stellen, mache ein Foto und denke, wir könnten es ja vielleicht, anstatt des Fotos aus Basel, das ich um 7 h gemacht habe, nach unserer Rückkehr als Weihnachtskarte … (Eingebildet in Wien, 8.1.2009)

2008.12.16., ca. 17 15 Uhr. In einem der Becken kniet ein Mann auf einer Art Floß aus dunklen Plastikquadern. Sein Oberkörper und sein Tun bleiben verborgen. Über dem Glasfenster sind Leuchttafeln angebracht, mit schlechten Fotos und Texten in Spanisch und Katalanisch. Ein Stromkabel hängt ins Wasser. Ein Schwarm Heringsartiger Fische dreht seine Runden. Ich mache mehrere Fotos. (Eingebildet in Wien, 10.1.2009)

2008.12.16., ca. 17 30 Uhr. Ich komme an einem Becken vorbei, in dem blasse, fette und gemütlich aussehende Fische schwimmen. Dahinter, quasi um die Ecke, sind weitere Becken, vor denen einige Besucher stehen. Ich gehe ganz nahe an die Glasscheibe, drehe das Zoomobjektiv auf längere Brennweite, öffne die Blende weit (ca. f 4,5) und fokussiere auf das hintere Becken. Ein paarmal löse ich aus – dann, wenn dort ein Haifisch vorbeischwimmt. (Eingebildet in Wien, 12.1.2009)

2008.12.16., ca. 17 35 Uhr. Ich gehe um das Becken, in dem die blassen, dicken und gemütlich aussehenden Fische schwimmen herum und wieder ganz nahe an die Glasscheibe. Ich fokussiere diesmal auf Marianne, die auf der anderen Seite des Beckens geblieben ist und mache ein paar Fotos von ihr. Gleich wird sie zu mir kommen und sagen, wie traurig sie die Inszenierung hier findet: Die Fische hinter Glas, das spärliche Licht, der dunkle Teppichboden … (Eingebildet in Wien, 24.1.2009)

2008.12.16., ca. 18 30 Uhr. Wir sind am Höhepunkt eines jeden Besuchs im Aquarium von Barcelona. Als hätte jemand Jeremy Bentham's Panopticon und Kapitän Nemo's/Jules Verne's Nautilus miteinander gekreuzt und das Entstandene für einen James-Bond-Film der 1980er Jahre inszeniert – in einem gläsernen Gang und auf einem Förderband stehend kann man um das große Bassin – darinnen unzählige Fische – grosse, kleine, dicke, dünne – herumfahren. Auch wir drehen eine Runde. Ich mache viele Fotos (ca. 30, mit kurzer Brennweite). (Eingebildet in Wien, 27.1.2009)

2008.12.16., ca. 20 00 Uhr. Zurück in der Altstadt und schon nahe bei unserem Hotel gehen wir in ein kleines Café zum Apéro: Weißwein und Bratkartoffeln. – Vor dem Fenster hängt ein weitmaschiger Vorhang aus dünnen Kabeln und albern blinkenden Lämpchen, dahinter, auf der Strasse, sind etliche Polizisten in gelben Westen (bei einem Tun, das rätselhaft bleibt). An der Ecke lehnt ein Mann, beobachtet und raucht, ich mache ein paar Fotos. – An der selben Stelle (aber 40 Stunden später) werde ich – atemlos vom Rennen, der Dieb kann noch nicht weit sein – auf den 1. Polizisten treffen. (Eingebildet in Wien, 1.3.2009)