L' INTANNABLE | Le Docteur CONOMBO et (d' après) ses ÉCRITS

In Moré – der Sprache der Mossé in Burkina Faso/Obervolta – bedeutet CONOMBO: »INTANNABLE – qui refuse de se laisser tanner« – dt. etwa: »Der sich das Fell nicht gerben lässt«

1) Protagonist

In den Annalen zur Geschichte Afrikas im 20. Jahrhundert meist nur am Rande erwähnt , ist Dr. Joseph Issoufou Conombo zwar kein besonders prominenter, doch interessanter und typischer Vertreter der »génération charnière« (dt. etwa »Scharniergeneration«) – zwischen Kolonialismus, Unabhängigkeit und heutiger politischer Realität.

Geboren 1917, wenige Jahre nach der Eroberung des »Königreichs der Mossê« durch die Franzosen, in einem kleinen Dorf , unweit der Hauptstadt Ouagadougou in Obervolta (dem heutigen Burkina Faso), übergeben ihn seine Eltern als Kind den »pères blancs« (den Missionaren) zur Erziehung.

Nach einem Medizinstudium in Dakar zieht er als »Tirailleur Sénégalais « (Senegalesischer Scharfschütze) , im Winter 1944/45 und in forderster Front , mit der siegreichen französischen Armee erst im Elsass und dann in Baden-Württemberg ein.

Nach dem Krieg kehrt er in sein Land zurück. um seinen Beruf als Arzt auszuüben. Als Angehöriger der jungen. Intellektuellen Elite bekleidet er bald hohe politische Funktionen , nicht nur in seiner afrikanischen Heimat. Er wird Abgeordneter in der französischen Nationalversammlung und 1954, als Staatssekretär, Mitglied der Regierung von Pierre Mendès-France (in dieser Funktion war Joseph I. Conombo auch an den Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in Indochina beteiligt).

Als Frankreich seine Kolonie Obervolta 1960 in die Unabhängigkeit entlässt, ist er Bürgermeister der Hauptstadt und später, in den Zeiten des Kalten Krieges, als sich Ost und West um Einflußsphären und um die Gunst der jungen afrikanischen Regierungen streiten, Außenminister seines Landes.

Im Juli 1978 wird er Premierminister und Regierungschef. Nach Konflikten mit Opposition und Gewerkschaften. einem 3-tägigen Generalstreik und einem darauf folgenden Militärputsch im November 1980 landet Joseph I. Conombo mit einigen Leidensgenossen für 4 Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung kämpft er, ein paar Jahre lang und schließlich mit Erfolg, um Rehabilitierung und um die Rückgabe seines konfiszierten Vermögens.

Seitdem lebt er ein immer noch aktives und recht komfortables Leben, zwischen mehreren Wohnsitzen im Elsass, in Paris und Burkina Faso hin- und herpendelnd .

2) Hintergründe …

An der Wand von Joseph I. Conombo's Salon in Ouagadougou hängen zwei Portraits: eines von unserem ehemaligen Bundespräsidenten Rudolf Kirchschläger, das zweite von seinem Freund und Kollegen Félix Houphouët-Boigny, dem langjährigen (von 1960 bis 1993!) Staatschef der Elfenbeinküste, der sich, am Ort seines Heimatdorfs Yamoussoukro, eine neue Haupt- und Residenzstadt errichten ließ, mit einer Kopie des römischen Petersdoms als krönendem Bauwerk …

Die Grundsätze und Ansichten von Joseph I. Conombo sind geprägt von Humanismus, Katholizismus und Wertkonservativismus und situieren ihn in der politischen »Mitte« (nach den uns geläufigen Begriffen ist er ein »Christlich- Sozialer«).

Im persönlichen Umgang ist er umwerfend charman , herzlich und offen – vor allem in seiner afrikanischen Heimat besteht er jedoch auf sozialen Normen, die EuropäerInnen jüngerer Generation autoritär, feudalistisch, konservativ, gar sexistisch erscheinen mögen …

Interviews mag er gerne, vermeidet dabei aber geschickt, zuviel preiszugeben und weicht heiklen Fragen und Widersprüchlichkeiten aus – auf Person und Epoche von Thomas Sankara* (einem politischen Gegner) angesprochen, reagiert er noch heute recht unwirsch.

*Thomas Sankara, Anführer der marxistischen. nationalen Revolutio, 1983 bis 1987 Staatschef von Burkina Faso

3) Material

Im Sommer 1974, nach einem schweren Autounfall in einer französischen Klinik (und unter dem Eindruck der Feiern zum 30. Jahrestag der Befreiung von Paris, wo die Teilnahme afrikanischer Soldaten am Kampf gegen Hitlerdeutschland mit keiner Silbe erwähnt wird, beginnt Joseph I. Conombo die Arbeit an seinem ersten Buch (siehe unten: Literatur).

Er beschreibt darin den harten europäischen Kriegswinter 1944/45: Seine Eindrücke beim ersten Betreten des Territoriums der Kolonialmacht, den Kontakt mit der französischen und deutschen Bevölkerung, Landstriche und Ortschaften zwischen Jura, Rhein und Schwarzwald und die Kampfhandlungen und Operationen von französischer Armee und deutscher Wehrmacht.

Ein weiteres Buch von Joseph I. Conombo entsteht in den 80er Jahren (diesmal im Gefängnis, in Burkina Faso. Siehe unten: Literatur: »M'ba Tinga …«). – In der Art einer »fiktiven Autobiografie« beschreibt er den Weg seines Zeitgenossen und Alter Ego »Tinga«, der im Heimatdorf nach altem Brauch lebt.**

Von der Geburt, dem Wochenbett der Mutter und der Stillphase, der beginnenden Integration in Familie, Dorf und Clan, über Beschneidung, Initiation, Heirat, Arbeits-, Sozial- und Familienleben, bis zu Krankheit, Tod, Begräbnis und darüber hinaus bis zur Regelung seiner Erbfolge, begleitet er »Tinga« und gibt so ein genaues Bild von Tradition und Leben seines Volkes im »Königreich der Mossé von Moogho Naba«

.**Es ist ein Buch über Joseph I. Conombo's eigenes Leben, weil es die Normen und Wertvorstellungen beschreibt, die es wesentlich bestimmt haben – und eines, um das ihn jeder Ethnologe beneiden muss.

4) Form und Konzept

» … il faut mettre entre parenthèses la biographie du nègre, si l'on veut liberer l'image, la disposer à reçevoir son signifié.« - dt. »… man muß die Biographie des Negers ausklammern, wenn man das Bild frei und bereit machen will, sein Bedeutetes aufzunehmen.« ***

Mir liegt nichts daran, das Leben meines Protagonisten auf einer ideologischen Ebene einzuordnen, zu würdigen oder zu kritisieren (zu Letzterem wäre ich noch am ehesten geneigt). – Bis auf ein kurzes Interview gedenke ich auf heutige Kommentare zu verzichten.

Vielmehr als Conombo selbst heute willens oder imstande ist, in Interviews zu erzählen – von seiner historischen Epoche, seinem Leben und seinen politischen »Wurzeln« in Afrika und Europa – tun es seine beiden, oben erwähnten Bücher.

Einzelne Passagen daraus werden in meinem Film von einer Sprecherin und einem Sprecher (als voice-over) gelesen. Beide rezitieren in korrektem Französisch, doch mit leichtem Schweizer, (Sprecherin) bzw. Österreichischem Akzent (Sprecher) – so werden die beiden Texte quasi von weither »angeschaut« – sie erlangen den Status einer »indirekten Rede« und die Unmöglichkeit ihrer simplen »Aneignung« ebenso wie ihre besonderen rhetorischen Qualitäten werden noch unterstrichen.

Diese beiden – persönlichen – Narrative Conombo's, die uns vom Alltag in einem westafrikanischen Dorf am Beginn des letzten Jahrhunderts zum Ende des zweiten Weltkriegs im Zentrum Europas führen (an Orte, die wir mehr oder weniger zu kennen glauben, vielleicht weil wir selbst dort gewesen sind; in Zeiten, die wir vom Hörensagen oder Lesen zu kennen glauben, mehr oder weniger, wo wir jedoch selbst niemals gewesen sind), will ich mit meinen »persönlichen« Bildern aus dem heutigen Burkina Faso und dem heutigen Elsass, in einer nicht-linearen Montage verbinden. – Im Sinne einer Beobachtung von Mythen und Machtstrukturen und einer Politik des Erinnerns: zu einem neuen, experimentellen Narrativ, einer neuen, filmischen Topographie der Orte und Zeiten, die wir – mehr oder weniger – zu kennen glauben.

*** Roland Barthes, Mythologies, Paris 1957, S. 225; dt. Mythen des Alltags, Frankfurt/M. 1964, S. 97. – Als Beispiel, um sein semiologisches System zu erläutern, beschreibt R. Barthes eine Pressephotographie »Ich sitze beim Friseur, und man reicht mir eine Nummer von Paris-Match. Auf dem Titelbild erweist ein junger Neger (sic!) in französischer Uniform den militärischen Gruß, den Blick erhoben und auf eine Falte der Trikolore gerichtet. Das ist der Sinn des Bildes. Aber ob naiv oder nicht, ich erkenne sehr wohl, was es mir bedeuten soll: daß Frankreich ein großes Imperium ist, daß alle seine Söhne, ohne Unterschied der Hautfarbe treu unter seiner Fahne dienen und daß es kein besseres Argument gegen die Widersacher eines angeblichen Kolonialismus gibt als den Eifer dieses jungen Negers, seinen angeblichen Unterdrückern zu dienen.« (Ebenda, S 223/S 95).

5) Literatur

Barthes, Roland: Mythologies; Editions du Seuil, Paris 1957.

Conombo, Joseph I.: Souvenirs de Guerre d'un »Tirailleur Senegalais«; L'Harmattan , Paris 1989.

Conombo, Joseph I.: M'ba Tinga – Traditions des Mossé dans l'Empire du Moogho-Naba; l'Harmattan, Paris 1989.

Guissou, Basile: Burkina Faso, un espoir en Afrique; l'Harmattan, Paris 1995.

Rapp, Jean-Philippe/Ziegler, Jean: Burkina Faso – eine Hoffnung für Afrika? Gespräch mit Thomas Sankara; rotpunktverlag; Zürich 1987.

New African Yearbook 1999/2000; IC Publications: London. 2000.

[…]

7) Synopsis (français)

En more, langue des Mossé de la Haute-Volta (aujourd'hui Burkina Faso) Conombo signifie: »intannable«–- »qui refuse de se laisser tanner« – »acceptez-le tel qu'il est, car il refuse la soumission«.

Le Docteur Joseph Issouffou Conombo est ne en 1917 dans un petit village de la Haute-Volta. En tant que Medicin lieutenant-colonel de réserve, il participe activement a la libération de la France en hiver 1944/45. Il est successivement membre du gouvernement français dans le Cabinet Mendès-France, Maire de Ouagadougou, puis Ministre des Affaires Etrangères de son pays. En 1980 alors qu'il est Premier Ministre, un putsch militaire entraine sa détention en prison pendant 4 ans.

Le film s'inspire des écrits du Docteur Conombo et suit les souven rs de »Tinga« (personnage alter-égo de l'écrivain), son enfance, sa jeunesse et les coutumes du village de sa naissance. Puis a travers les batailles de la libération de l'Alsace en 1944/45 nous revenons dans la Haute-Volta de 1946, toujours sous force coloniale et lieu de depart de Conombo »Tirailleur Senegalais«.

En retraçant ces épisodes de la vie du Dr. Conombo nous comprenons mieux cet homme, qui s'est – tout a la fois – battu pour le catholicisme et les traditions africaines, pour la libération de la France et contre les colonialisateurs de son pays: un homme au coeur et a la peau »intannable«.

Aus: Christian Wachter, … ARBEITSKONZEPT, Beiheft zur gleichnamigen DVD, Wien 2002