Daniela Hölzl | Fußnote

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Ich hatte gehofft, der Bleistift würde die Bilder einfangen. Indem er zügig, gewissenhaft die Standbilder vom Video abzeichnete, die Seiten füllte mit genauen und oberflächlichen Bemerkungen, fände schließlich eine Art Übertragung statt. Dann wären die belanglosen Szenen aus dem Vatikan doch das von mir Gesehene geworden.

Das Bauwerk, dessen Ort im Herzen jener Macht liegt, die über Jahrhunderte die Zeichen und das zu Bezeichnende verfügt hat und den Geist als den „Körper des Sinns“ (Jean-Luc Nancy) erfand, trat, beinahe überraschend, zu seiner grotesken Kopie am Rande einer afrikanischen Hauptstadt. Die Bilder aus Yamoussoukro fügten rasch einen Kommentar zu Geschichte und Unglück der Kontinente. Andere Bilder von den Reisen in Afrika, aus Paris, Wien und Basel verfingen zu Sätzen, Aussageketten. Bild-Satz nennt Jacques Rancière die Möglichkeit im Paradigma der Moderne, der großen Parataxe, welche Bilder und Sätze aneinanderreiht, den Sinn immer noch, immer wieder neu aufscheinen zu lassen, ihn zwischen Chaos und der Gleichförmigkeit der Waren zu halten. Er beschreibt als die zwei Methoden der Montage den dialektischen Schock (die Montage versucht die Bilder im Kontrast zu differenzieren, um die „Wirklichkeit“ – etwa der Politik – als Tiefenstruktur sichtbar zu machen) und, ganz anders empfunden, die Analogie, die Bilder und Sätze ohne offensichtlichen Bezug zusammensetzt und so, mit Hilfe des Mysteriums, die innere Ähnlichkeit in allem offenlegt. lm Schwanken zwischen diesen Polen ergibt sich also die spezielle Logik, die genau jenes Foto richtig erscheinen lässt, um in den unzähligen Zusammenhängen einen aktualen, je eigenen Sinn entstehen zu lassen.

Die Körper hingegen, in den Kunststücken kann man es deutlich sehen, sind ihre Fähigkeit über sich hinaus zu gehen. Gehalten durch Affekte. Körper sind ausgedehnt. An der Grenze ihrer Ek-sistenz, im Vermögen affiziert zu werden, bleibt der Sinn offen, treibt das Denken darüber weiter über sich hinaus. Wenn der Andere immer ein genau so und so gefasster Körper ist, wie Jean-Luc Nancy schreibt, gilt dies manchmal auch für Bilder. In den unscharfen Umrissen der Akrobaten klärt sich der Begriff der Erscheinung. Erscheinen verknüpft selbstverständlich die nackte Schulter der Frau, ihren schönen Nacken mit den präzisen Anstrengungen der archaischen Handwerker-Künstler jenen Raum herzustellen, der die Skulptur darbietet.

Rom würde Rom bleiben. Es sei denn, jemand sähe die Nachmittage, die ich damit verbracht haben werde, Kader für Kader, an der Spitze des Bleistifts etwas durch die Schrift hindurch zu finden.

Aus | from: Christian Wachter, Impressions D'AFRIQUE, Fotohof edition, Salzburg 2007

 

Daniela Hölzl | Footnote

I had hoped that the pencil would capture the images; that some sort of transfer would ultimately take place as it sketched the stills swiftly and faithfully from the video, filling the pages with precise, superficial remarks. Then those insignificant scenes from the Vatican would have become what had I seen.

The building, whose location lies at the heart of the power which for centuries decreed the signs and the signified, and coined the notion of the spirit as the “body of sense” (]ean-Luc Nancy), that building turned, almost surprisingly, into its grotesque replica on the outskirts of an African capital. The images from Yamoussoukro quickly added a commentary on the history and misfortunes of continents. Other images from travels in Africa, from Paris, Vienna and Basel, blended into phrases and strings of statements. Phrase-image [image-phrase] is the French term Jacques Ranciere uses to define the possibility of allowing meaning to re-emerge, still and yet again, in the paradigm of the modern age, of the great parataxis which aligns images and phrases, enabling it to stand between chaos and the uniformity of commodities. He describes as the two methods of montage dialectic shock (the montage seeking to differentiate images through contrast to reveal the “reality” — of politics for instance — as a deep structure) and, as quite a different sensation, analogy, which assembles images and phrases without any apparent reference, thereby exposing, with the aid of mystery, the inner similarity in everything. The fluctuation between these poles gives rise to the special logic which allows precisely that photograph to appear right to create a topical, intrinsic sense among the countless connections.

By contrast the physical bodies represent the ability to go beyond themselves, as we can clearly see in the tricks and acrobatics. Held by affects. Bodies expanded. At the boundaries of their existence, in the ability to become affected, the meaning remains open, and thoughts drift well beyond. If the other is always a body conceived in precisely one way, as Jean-Luc Nancy writes, this sometimes holds true for images, too. The concept of appearance is clarified in the blurred contours of the acrobats. The woman’s bare shoulder, her beautiful neck, appears linked of course with the precise efforts of the archaic artist-artiste to shape the space that posits the sculpture.

Rome would remain Rome. Unless, that is, someone saw the afternoons I had spent with it, frame by frame, finding something through the writing, at the pencils tip.

(Translation: Stephen Grynwasser)